12.05.2016

Behindern niedrige Energiepreise eine nachhaltige Energiewende?

Dr. Stefanie Baasch entwickelt seit Jahren Konzepte für zukunftsfähige Städte und Regionen. Im Interview mit Dynahaus spricht sie über die Auswirkungen der niedrigen Energiepreise auf die Bereitschaft der Gesellschaft zu einer nachhaltigen Energiewende.

Die Umweltpsychologin und Projektberaterin Dr. Stefanie Baasch beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Konzepten für zukunftsfähige Städte und Regionen.

Frau Baasch, Sie entwickeln seit vielen Jahren Konzepte, um im Bereich Umwelt und Energie, zukunftsfähige Städte und Regionen entstehen zu lassen. Wie hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen Jahren verändert? Müssen Sie heute weniger Überzeugungsarbeit leisten?

Grundsätzlich muss man heute kaum noch jemanden davon überzeugen, dass es so etwas wie einen menschengemachten Klimawandel gibt oder das Umweltschutz wichtig ist. Allerdings liegt der Fokus aus meiner Perspektive immer noch viel zu stark auf technologischen Lösungen und nicht auf dem Handeln von Menschen. So lässt sich seit Jahren beobachten, dass beispielsweise im Fahrzeugbau, zwar effizientere Technik eingesetzt wird aber gleichzeitig die Fahrzeuge sehr viel größer, schwerer und mit sehr viel mehr Anwendungen ausgestattet sind als früher. Meist ist die Effizienz von technischen Verbesserungen auch unmittelbar vom Handeln der Anwender abhängig, also davon wie Technik benutzt wird.

Die meiste Überzeugungsarbeit besteht darin zu vermitteln, dass es keine schnellen allgemeingültigen Konzepte gibt und sich ressourcenschonende Handlungen nicht mal eben mit einer Informationskampagne oder einer Vortragsveranstaltung „herstellen“ lassen. Dafür ist menschliches Handeln zu komplex und von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Erfolgsversprechender sind maßgeschneiderte Ansätze, die auf fundierten Kenntnissen über Zielgruppen und ihre Handlungsweisen, ihre sozialen und ökologischen Normen etc. beruhen und die Erkenntnis- und Lernprozesse zu mehr klima- und umweltfreundlichem Verhalten  auslösen können.

"Die Energiewende ist ein langfristiger Prozess, in dem es immer auch mal zu kurzzeitigen Schwankungen kommen kann."

Im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung der Energiepreise, scheint auch das Interesse in der Gesellschaft an einer grünen Energiewende etwas abzunehmen. Können Sie diese Beobachtungen im Rahmen Ihrer täglichen Arbeit bestätigen?

Nicht unbedingt. Sicherlich kann ein höheres Preisniveau fossiler Energieträger Veränderungen beschleunigen, beispielsweise was Investitionen in Heizanlagen anbelangt. Andererseits ist das Interesse an Ökostrom und auch an Erneuerbaren Energiegenossenschaften in den letzten Jahren weiter gestiegen. Die Energiewende ist ein langfristiger Prozess, in dem es immer auch mal zu kurzzeitigen Schwankungen kommen kann. Grundsätzlich kommt es darauf an, die Energiewende als gesellschaftlichen Prozess zu verstehen und stärker Effizienz und auch Suffizienz in den Blick zu nehmen – wofür geeignete Konzepte und Ansätze (weiter-)entwickelt werden müssen.

 

Viele Experten sind sich einig darüber, dass einer dezentralen Energieversorgung der eigenen vier Wände (wie im Dynahaus Konzept erstmalig umgesetzt) die Zukunft gehört. Stimmen Sie dem zu oder sind Sie der Meinung, dass die Energiewende auch mit einer weiterhin zentralen Stromversorgung möglich ist?

Das kommt darauf an, was man unter Energiewende versteht: die Abkehr von nicht-erneuerbaren Ressourcen zur Energieproduktion ist zunächst unabhängig von der Struktur der Energieversorger. Versteht man unter Energiewende aber auch Ressourceneffizienz, die Berücksichtigung ökologischer Rucksäcke, Energiesparen, nachhaltigen Konsum etc. dann bietet eine dezentrale Energiewende gerade durch ihre Akteursvielfalt mehr Chancen. Die Option, die Energiewende selbst mitgestalten zu können und selbst Verantwortung zu übernehmen – z.B. als Mitglied einer Energiegenossenschaft, kann grundsätzlich zu mehr Nachhaltigkeit beim Energieverbrauch führen. Eine dezentrale Energiewende hat einen deutlichen Vorteil, wenn es um das gesellschaftliche Transformationspotential geht. Allerdings nur dann, wenn die Einsparungen im Energiebereich nicht zu zusätzlichen Konsum in anderen Bereichen führen.

Der Vorteil einer dezentralen Energieversorgung ist auch und vor allem in einer Unabhängigkeit von globalen Stromversorgern zu suchen. Welchen Stellenwert wird diese Unabhängigkeit aus Ihrer Sicht in Zukunft einnehmen?

Das ist stark abhängig von politischen Entscheidungen, aktuell auch davon wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien bzw. auch Maßnahmen zur Energieeffizienz und -suffizienz auf regionaler Ebene gefördert oder gebremst werden. Wie dort die zukünftige Entwicklung aussehen wird, kann ich nicht vorhersagen. Ich vermute allerdings, dass sich die Konflikte in nächster Zeit eher verstärken werden.

"...abhängig vom sozialen Umfeld - kann ein Energiespeicherplushaus auch als Statussymbol dienen."

Das Interesse an Energiespeicherplushäusern, welche mehr Energie produzieren als Sie verbrauchen, hängt noch von weiteren Aspekten wie bspw. dem Wunsch nach einem nachhaltigen Leben ab. Welche Faktoren würden Sie in diesem Bezug noch nennen?

Da gibt es viele Möglichkeiten: Interesse an technischen Innovationen, der Wunsch nach Mitgestaltung und Autonomie und – abhängig vom sozialen Umfeld - kann ein Energiespeicherplushaus auch als Statussymbol dienen. Aus welchen Gründen sich für ein Energiespeicherplushaus entschieden wird und ob dies tatsächlich zu einem insgesamt nachhaltigeren Konsum führt, müsste man sozialwissenschaftlich genauer untersuchen.


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