27.11.2015

Claudia Kemfert erklärt, warum Gebäude von morgen ihre Energie selbst produzieren.

Wie kann der Verbraucher globale Entwicklungen richtig interpretieren und warum trägt ein Konzept wie das Dynahaus zur Stabilisierung des gesamten Energiesystems bei? Darauf antwortet Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Prof. Dr. Claudia Kemfert bei einem Vortrag. Februar 2012 Paderborn © Jan Braun

Frau Professor Kemfert, Sie sind Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und sagen, dass sich der Klimaschutz bzw. die Energiewende langfristig gesehen positiv auf den Erfolg von Unternehmen und allgemein auf die Wirtschaft auswirken wird. Können Sie uns das kurz erklären? 

Investitionen in Klimaschutz und in die Energiewende, also in den Ausbau erneuerbarer Energien und die Verbesserung der Energieeffizienz, schaffen volkswirtschaftlich Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Durch die Investitionen in das Energiesparen werden zudem Energiekosten gesenkt und gleichzeitig Klimaschutz betrieben. Unternehmen, die in diese Zukunftsmärkte investieren, haben somit wirtschaftliche Vorteile. 

Bisher hat man eher das Gefühl, dass sich deutsche Unternehmen in Zurückhaltung üben, sobald es um Themen wie Energieeffizienz oder Nachhaltigkeit geht. Täuscht dieses Gefühl? 

Volkswirtschaftlich gesehen ist Deutschland durchaus sehr energieeffizient, es gibt eine absolute Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch und Emissionen. In der Tat gibt es aber immer Luft nach oben. Viele Unternehmen tun noch zu wenig, um energieeffizienter zu werden, es fehlt oftmals an Informationen und Willen. Dabei könnte man mit Investitionen in das Energiesparen erhebliche Kosten senken. Daher wäre es in der Tat wünschenswert, das Thema Energieeffizienz würde ganz oben auf die Agenda der Unternehmensentscheidungen, aber auch in die politische Diskussion kommen. 

"Man sollte nicht kurzfristige Preisschwankungen im Blick haben, sondern derartige Investitionsentscheidungen auf langfristige Perspektiven basieren."

Insgesamt sind uns Deutschen einige Länder voraus, wenn es um eine nachhaltige und klimafreundliche Lebensweise geht. Wie kann Ihrer Meinung nach ein breiteres Verständnis und damit einhergehend auch ein stärkeres Verantwortungsgefühl in der Gesellschaft geschaffen werden? 

Zunächst einmal muss das Bewusstsein geschaffen werden, und dies ist in Deutschland durchaus vorhanden, da viele Menschen beispielsweise noch immer die Energiewende unterstützen. Die Politik muss zudem vorleben und durch mehr Transparenz und Entscheidungen auf die Dringlichkeit des Handelns hinweisen. Da gibt es erheblichen Nachholbedarf. 

Ein wesentlicher Teil am Gesamtenergiebedarf sowie an Treibhausgasemissionen in Deutschland sind auf den Betrieb von Gebäuden zurückzuführen. Hierzu hat sich, quasi als Nachfolger des Passivhauses, eine neue Gebäudegattung etabliert. Das Energieplushaus (wie z.B. das Dynahaus), welches mehr Energie produziert als die Bewohner verbrauchen. Mithilfe modernster Technik wird dabei auf einen konsequenten Eigenenergieverbrauch gesetzt. Auch deswegen, weil sich das Einspeisen in das öffentliche Netz wirtschaftlich gesehen nicht lohnt. Wird dieser Ansatz Ihrer Meinung nach Schule machen? 

Durchaus, denn langfristig wird dies der einzige Weg sein, um die dezentrale Energieversorgung und den -verbrauch effizient einzusetzen und zu steuern. Die Energiewende hat ja zum Ziel, die Energieversorgung auf Nachhaltigkeit umzubauen und die Energieeffizienz zu erhöhen. Die Energieversorgung wird somit immer dezentraler. Gebäudeenergie ist ein wichtiger Baustein der Energiewende, denn das Energiesparen durch die Gebäudeenergieeffizienzverbesserung und die Energieversorgung vor Ort werden mehr und mehr zusammengehen. Die Gebäude von morgen produzieren dabei mehr Energie als sie verbrauchen und können so zur Energiewende aber auch zur Stabilisierung des Gesamtenergiesystems beitragen. Dadurch kann die Energiewende vor Ort effektiv umgesetzt werden, zudem werden die Kosten optimiert und Treibhausgase gesenkt. 

Die globalen Entwicklungen am Rohstoffmarkt sind für den Verbraucher aktuell schwer einzuschätzen. Noch vor kurzer Zeit gingen Experten von steigenden Ölpreisen genauso wie von steigenden Strompreisen aus. Beides ist in dieser Form bisher nicht eingetreten, eher das Gegenteil ist der Fall. Auf welche Prognosen kann sich der Verbraucher denn aktuell stützen wenn er entscheidet, wie er sich und seine Familie zukünftig mit Energie versorgt?

Man sollte nicht kurzfristige Preisschwankungen im Blick haben, sondern derartige Investitionsentscheidungen auf langfristige Perspektiven basieren. Rohstoffe sind und bleiben endlich, auch wenn kurzfristige politische Entscheidungen andersartige Effekte hervorgebracht haben. Und die beste Energie ist immer die, die gar nicht erst verbraucht wird. Somit sind Investitionen in das Energiesparen immer lohnend, unabhängig von aktuellen Preisschwankungen. Je geringer der Energieverbrauch, desto geringer die Kosten und desto weniger macht man sich abhängig von Schwankungen. Daher sind die Investitionen in das Energiesparen langfristig immer lohnend.


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