10.11.2015

"Nicht allein die Konzerne sind schuld am Klimawandel. Wir selbst sind die Schuldigen."

Der Philosoph und Soziologe Prof. Dr. Felix Ekardt erklärt im Interview, was es zu einem gesellschaftlichen Wandel hin zur Nachhaltigkeit alles braucht und welche Rolle Konzerne dabei spielen.

Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. ist Jurist, Philosoph und Soziologe. Er leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin. Von ihm erschien 2014 im Christoph Links Verlag "Jahrhundertaufgabe Energiewende. Ein Handbuch".

Sie widmen sich als Wissenschaftler und Politikberater sehr stark den Themen der Nachhaltigkeit sowie dem Klimaschutz. Aus welchem Grund liegen Ihnen diese Themen besonders am Herzen?

Nachhaltigkeit, also das Ziel dauerhaft und global durchhaltbarer Lebens- und Wirtschaftsweisen, ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Und Klimaschutz ist ein besonders wichtiger Anwendungsfall dieser grundsätzlichen Problematik - allerdings nicht der einzige.

"Die Pro-Kopf-Emissionen in der EU sind immer noch rund beim Fünffachen dessen, was durchhaltbar wäre."

In einem älteren Interview in unserem Blog äußerte sich die Grünen-Politikerin Rebecca Harms eher kritisch zum Thema der „europäischen Energiewende“. Ist diese kritische Haltung gegenüber dem aktuellen Geschehen in Brüssel Ihrer Meinung nach berechtigt? Wie zufrieden sind Sie mit der allgemeinen Vorgehensweise und den bisherigen Ergebnissen?

Die Pro-Kopf-Emissionen in der EU sind immer noch rund beim Fünffachen dessen, was durchhaltbar wäre, wenn alle Menschen weltweit und auf Dauer so leben würden wie wir. Sie sind also nicht nachhaltig. Und auch die Entwicklungsrichtung seit 1990 wird meist schöngerechnet. Die angeblichen Emissionsreduktionen seit 1990 beispielsweise werden statistisch übertroffen von den seitdem erfolgten Emissionsverlagerungen in die Schwellenländer, weil dort heute die emissionsintensiven Produktionsprozesse großenteils laufen. Wir brauchen aber europäische und globale Maßnahmen, allein schon wegen sonst drohender Verlagerungseffekte. Nur müssten diese eben viel wirksamer sein als bislang.

Bleiben wir bei dem Thema der Energiewende. Wie werden wir Ihrer Meinung nach zukünftig unsere eigenen vier Wände in Deutschland mit Energie versorgen?

Wie wir dies faktisch tun werden, weiß ich nicht, da Menschen und ganze Gesellschaften nur bedingt von Wissen motiviert werden. Andere Faktoren wie Eigennutzen, Gefühle, Normalitätsvorstellungen, Pfadabhängigkeiten oder Werthaltungen beeinflussen uns oft stärker. Deshalb ist die Wende zur Nachhaltigkeit so schwierig. Will man die drastischen Folgen des Klimawandels vermeiden, wird man jedenfalls neben der technischen Umstellung auf 100 % erneuerbare Energien bei Strom, Wärme, Treibstoff und stofflichen Nutzungen sowie einer höheren Energieeffizienz auch über Suffizienz reden müssen. Also über Verhaltensänderungen - mit ausschließlich technischen Mitteln klappt der vollständige Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen voraussichtlich nicht.

In Ihren Publikationen geht es häufig um die Frage, welchen Einfluss bzw. welche Verantwortung das einzelne Individuum in einer Gesellschaft trägt. Können Sie uns diese Verantwortung in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz aus Ihrer Sicht kurz erläutern?

Gesellschaftlicher Wandel funktioniert nur im Wechselspiel verschiedener Akteure. Ohne bessere Politik ändert sich bei den Konsumenten zwar wenig, umgekehrt gibt es ohne mehr Druck von den Konsumenten aber auch keine andere Politik. Druck heißt nicht nur politisches Engagement, sondern auch auszuprobieren und vorzumachen, wie alternative Lebensstile aussehen könnten. Menschen sind Nachmacher, deswegen hat das, was ich mache, auch für andere Menschen potenziell erhebliche Bedeutung. Ebenso gibt es ein Wechselspiel zwischen Unternehmen und Konsumenten.

"Kapitalismus, das Gesetz von Angebot und Nachfrage, das sind letztlich wir alle und nicht nur die Konzerne." 

In einem ZEIT-Artikel Anfang dieses Jahres äußerten Sie sich skeptisch zur Theorie, dass der Klimawandel vor allem vom Kapitalismus getrieben wird. Beispielsweise sind es aber die großen Stromkonzerne in Europa, die durch gezielte Lobbyarbeit eine wirkliche Energiewende bremsen. Wie passt das zusammen mit Ihrer Aussage?

Kapitalismus, das Gesetz von Angebot und Nachfrage, das sind letztlich wir alle und nicht nur die Konzerne. Wir alle sind doch als Kunden, Arbeitnehmer oder über Aktien unseres Pensionsfonds mehr oder minder verwoben mit vermeintlich reinen Konzerninteressen. Zudem drückt der Kapitalismus neben kulturellen Prägungen auch menschliche Grundeigenschaften aus, etwa das Eigennutzenstreben, aber auch diverse emotionale Seiten von Menschen. Schafft man das Wirtschaftssystem ab, sind die Menschen immer noch die gleichen.

Eine private Frage zum Abschluss. Inwiefern versuchen Sie in Ihrem persönlichen Alltag, nachhaltig zu leben?

Unser ökologischer Fußabdruck pro Kopf muss je nach Umweltproblem um den Faktor drei, vier oder fünf kleiner werden. Ich bin beispielsweise seit 1993 Vegetarier und esse auch sonst wenig Tierisches. Private Flüge brauche ich keine, in Europa meist auch keine dienstlichen. Führerschein habe ich auch keinen. Bis 2012 habe ich zu zweit auf 50 qm gewohnt, das entspricht der Hälfte der in Deutschland üblichen Pro-Kopf-Wohnfläche. Und ich komme auch bestens ohne Handy, Trockner, Spülmaschine, Mikrowelle & Co. aus.


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