26.05.2015

Rebecca Harms, Fraktionschefin der europäischen Grünen, spricht über die Zukunft der Energieversorgung.

Rebecca Harms ist Vorsitzende der Grünen im Europaparlament und beschäftigt sich seit jeher mit den Möglichkeiten der effizienten Nutzung erneuerbarer Energien. Im Interview gewährt sie Einblicke in politische Prozesse und äußert sich zur Zukunft der europäischen Energieversorgung.

Rebecca Harms wurde 1956 in Hambrok geboren und war, vor Ihrer Wahl in das Europaparlament im Jahr 2004, Mitglied des niedersächsischen Landtages und Fraktionsvorsitzende der Partei Bündnis90/Die Grünen. Sie ist vor allem in Fragen des Klimaschutzes und Energiepolitik aktiv. Im Bild: Rebecca Harms bei der Eröffnung einer Ausstellung in der Heinrich-Böll-Stiftung. Fotograf: Stephan Röhl

Frau Harms, Sie setzen sich bereits seit langer Zeit für die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien ein. Warum beschäftigt Sie dieses Thema so intensiv?

Eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien und ein höheres Maß an Energieeinsparungen kommen nicht nur dem Klima zugute, sondern reduzieren zugleich unsere Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und dass das dringend notwendig ist, zeigt der andauernde Konflikt um die Ukraine und mit Russland. Ehrgeizige Klimaziele schaffen Arbeitsplätze und sorgen für Innovationen in der Wirtschaft. Zudem führt ein reduzierter Gebrauch fossiler Brennstoffe zu weniger Emissionen und Luftverschmutzung. Ehrgeizigere Ziele für den Ausbau von Erneuerbaren und Energieeffizienz hätten also viele positive Effekte.

"Europa muss endlich auf Neues setzen, statt den Ideen von gestern nachzuhängen."

Die Chancen, welche sich mit einer auf erneuerbaren Energien ausgerichteten Energiepolitik ergeben, sind offenkundig. Warum tun wir uns so schwer, wenn es um die konsequente Umsetzung entsprechender Maßnahmen geht? (bspw. bezogen auf die europäische Energieunion)

Die Energieunion hätte das Zeug das Zukunftsprojekt der Europäischen Union zu werden. Was nun auf dem Tisch liegt droht zu einem leeren Versprechen zu werden oder - noch schlimmer - zu einem Vehikel, um den alten Energiemix aus Kohle und Atom weiter zu fördern. Die entsprechende Lobby hat da "gute Arbeit" geleistet. Mit nachhaltigen Innovationen oder einer europäischen Energiewende hat dies nichts zu tun.

Europa muss endlich auf Neues setzen, statt den Ideen von gestern nachzuhängen. Eine europäische Energieunion wird nur zukunftsfähig, wenn sie ihren Fokus auf Energieeinsparung, Effizienz und Erneuerbare Energien setzt. Hier liegt der Schlüssel zu mehr Klimaschutz und politischer Unabhängigkeit. Die Technik und das Know-How haben wir. Auch wissen wir von den wirtschaftlichen Vorteilen - was jetzt noch fehlt ist der politische Wille.

Inwiefern können Ihrer Meinung nach Projekte wie die Entwicklung des Dynahauses oder von Energiespeicherplushäusern allgemein den Weg hin zu einer dezentralen und vor allem nachhaltigen Energieversorgung ebnen?

Eine der größten Herausforderungen ist der Energieverbrauch durch Gebäude, sie verbrauchen 40 % unserer Energie. Der Gebäudebereich birgt über ein riesiges Einsparungspotenzial. Energiespeicherplushäuser können hier einen Beitrag leisten. Daneben sollten umfassende Renovierungsarbeiten für den bestehenden Gebäudebestand durchgeführt und die Nullenergiebauweise für neue Häuser zum Standard werden.

Verschiedene Unternehmen entwickeln bereits innovative Technologien zur effektiven Nutzung und Speicherung erzeugter Energie. Beschäftigen sich Ihrer Meinung nach auch die Verbraucher bereits ausreichend mit dem Thema der Herkunft Ihrer Energie?

Die Energiewende geht uns alle etwas an. Verbraucher setzen sich zunehmend mit dem Thema auseinander, sei es durch die verbesserte Kostenaufschlüsselung auf den Stromrechnungen oder auch durch zunehmend wichtigeren Frage wie "Wie kann ich zu Hause Energie sparen?" bzw. "Wo kann ich finanzielle Unterstützung für die energetische Sanierung meines Hauses oder erneuerbarer Energien erhalten?". Die Verbraucher müssen umfassend und sachlich über die Notwendigkeit der Energiewende informiert werden und über den Nutzen, den sie selber davon haben können. Nur wenn wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, können wir den Energiesektor und unsere Wirtschaft fit für die Zukunft machen.

"Das Konzept der zentralen Energieversorgung ist nicht mehr zeitgemäß."

Es gibt bereits zahlreiche Haushalte, welche Ihre Energie selbst produzieren. Damit werden Sie unabhängig von Stromkonzernen und der Frage nach dem Transport der Energie vom Ort der Erzeugung hin zu den eigenen vier Wänden. Gehört Ihrer Meinung nach der dezentralen und regionalen Stromversorgung die Zukunft? 

Das Konzept der zentralen Energieversorgung ist nicht mehr zeitgemäß. Ein Energiesystem, das auf erneuerbaren Energiequellen fußt ist viel dezentralisierter: Ein Großteil der Erzeugung geschieht in ländlichen Regionen. Hinzu kommen immer mehr kleine, regionale Energieerzeuger. Dies bedeutet eine Chance für die Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen und Regionen die Zukunft der Energiewende mitzugestalten. Die Gewinne aus der Energieversorgung verbleiben zudem in der Region und leisten einen Beitrag zur Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft. Dies setzt allerdings auch einen durchdachten Ausbau der Netz- und Energieinfrastruktur voraus, um neben der zunehmenden Anzahl an kleineren Erzeugern auch die natürlichen Schwankungen der erneuerbaren Energien aufzufangen. Netzausbau und -verbindungen sind notwendig, aber müssen sorgfältig auf die Energiewende abgestimmt sein.

Gestatten Sie eine private Frage zum Abschluss unseres kleinen Interviews. Setzen Sie bei Ihrer privaten Energieversorgung bereits auf erneuerbare Energien aus dezentraler Produktion bzw. könnten Sie sich vorstellen, in einem Energiespeicherplushaus zu leben?

Meine Heimatregion, das Wendland, gehört zu den ausgezeichneten Bioenergieregionen Deutschlands. Schon in den 90er Jahren haben wir dafür gekämpft, die Energiewende voranzutreiben und aus dem Wendland eine Vorzeigeregion für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu machen. Mit Bürgerwindkraftanlagen fing alles an. Jetzt sind 100% Erneuerbare im Strombereich erreicht, aber im Bereich Verkehr und Wärme bleibt noch viel zu tun.

Persönlich habe ich Sonnenkollektoren auf dem Dach und besitze Anteile an einer Bürger-Solaranlage.

Vielen Dank Frau Harms, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben.


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